Berlin-Film-Katalog (in Vorbereitung)

Rarität des Monats November 2017

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom 11.-15. November 2017 um 18 Uhr lief

 

Banale Tage

DDR 1990 – 92 Min. (2523 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe
Regie: Peter Welz. Szenarium: Michael Sollorz. Dramaturgie: Timothy Grossmann. Kamera: Michael Schaufert. Szenenbild: Esther Ritterbusch. Kostüme: Ulrike Stelzig. Garderobe: Karmen Waitschies. Masken: Harald Jahn, Hannelore Seruns, Babette Bröseke. Schnitt: Rita Hiller. Schnittassistenz: Ingeborg Suhr. Musik: Bert Wrede. Ton: Jürgen Matuschek, Werner Schulze, Brigitte Pradel. Tonassistenz: Olaf Kutscher. Tonmischung: Konrad Walle. Kameraassistenz: Dietrich Pohl. Filmphotograph: Herbert Kroiss. Komplexbrigade: Helmut Brehmer. Bauausführung: Angela Rienäcker. Bühnenmeister: Peter Weinert. Requisiten: Hans-Joachim Bauer, Marco Mienerski, Michael Koch. Skript: Loni Gina Gaudian. Regieassistenz; Sybille Junge, Alexander Zschiedrich, Hans-Georg Andres a.G. Aufnahmeleitung: Frank Lamla, Bernd Marx, Rudi Korte.
Darsteller: Florian Lukas (Michael), Christian Kuchenbuch (Thomas), Kurt Naumann (Peter Wagner), Karin Mikityla (Hanna Wagner), Bärbel Bolle (Frau Torf), Ernst-Georg Schwill (Herr Torf), Jörg Panknin (Lehrmeister Vogler), Astrid Meyerfeldt (Frau Boll), Simone Walter (Karin Schulz), Anita Herbst (Garderobiere Schulz), Herbert Olschok (Glatzkopf), Ronald M. Schernikau (Schauspieler Bernd), Peter Prager (Regisseur), Rolf-Peter Kahl (Klaus Pütz), Stefan Kolosko (Marek, „der Beste“), Michael Klobe (Sigmar), Paul Berndt (Pfarrer/Minister), Hanno Harnisch (Mann mit Hut), Gerhard Hähndel, Maximilian Löser (die „Zwei“), Lusako Karonga (Ali), Torsten Kirchner, Jürgen Korth, Sven Lehmann, Anke Pätsch (Junge Gemeinde), Joachim Stargard (Kellner/Sportlehrer), Peter Hoff (Physiklehrer), Heiner Rosch, Alexander Schubert (Lehrlinge), Kathrin Waligura (Schauspielerin/Krankenschwester), Bernd Junge (Plakatkleber), Bianka Scharf, Ulrike Stamm („Kichererbsen“), Frank Haberland (Stunt), Tanzkreis Maschwitz (Premierenbesucher), Gruppe Keimzeit (Bluesband).
Produktion: DEFA-Studio Babelsberg GmbH, Künstlerische Gruppe DaDaeR. Produktionsleitung: Ralph Retzlaff.

Drehzeit: 23. Juni bis 31. August 1990.

Erstverleih: Basis-Film.

 

„Unsere Menschen interessiert nicht, was Katzen kaufen würden!“ – Daß Michael eine Plastiktüte mit Reklameaufdruck trägt, erzürnt die Frau Direktor fast noch mehr, als daß er ein (natürlich ebenfalls aus dem Westen stammendes) Buch des abtrünnigen Kommunisten Robert Havemann in ihre Schule mitgebracht hat.

Die ganzen Vorschriften und Verbote, die alltägliche Gängelung, nimmt der Teenager jedoch ebenso nicht mehr besonders ernst wie die hohlen ideologischen Floskeln und eigentlich die gesamte erstarrte DDR der späten siebziger Jahre. Der etwa gleichaltrige Lehrling Thomas hält es nicht anders, und so freunden sich die beiden Ost-Berliner miteinander an, obwohl sie aus grundverschiedenen Milieus kommen: Thomas aus proletarischem Elternhaus, wo allerdings nicht weniger gesoffen wird, und das auch nicht weniger disfunktional ist als die Ehe von Michaels arrivierten, toleranten Künstlereltern. Dafür laufen die Versuche, zu provozieren, gar zu rebellieren, von Michaels Vater – einem Dramaturgen am Theater – genauso ins Leere wie jene von Thomas, der eine Wohnung besetzt, Kontakt zur Kirche sucht (Michael ist derweil der erste intime Kontakt mit einem Mädchen wichtiger) und schließlich Flugblätter vom Mietshausdach wirft. Was einzig die gewohnt paranoide Stasi interessiert. Statt der aufregendsten Zeit des Lebens nur: banale Tage.

Entstanden nach einem Drehbuch von Michael Sollorz, der eine eigene Vorlage verarbeitet hatte, war „Banale Tage“ 1990 das langerwartete Début des damals hoch gehandelten Babelsberger Filmhochschulabsolventen Peter Welz (Jahrgang 1963). Sein halbstündiger Kurzfilm „Willkommen in der Kantine“ (1988) galt als Geheimtip und als Wetterleuchten einer möglicherweise ganz neuen, unangepaßten Generation von DEFA-Regisseuren. Welz, der bereits als Kinderdarsteller – unter anderem in Heiner Carows „Ikarus“ (1975) – vor der Kamera gestanden hatte, war Frank Castorf (der das Drehbuch zu „Willkommen in der Kantine“ geschrieben hatte) eng verbunden, rekrutierte viele seiner Darsteller aus dessen Umfeld und der gerade frisch von Castorf als Intendanten übernommenen Volksbühne. In dieser wurden dann auch einige Szenen des Films gedreht. Nicht zuletzt verarbeitete Welz die gerade vergangene SED-Diktatur nicht (wie seine älteren DEFA-Kollegen) mit einem Drama um Verfolgung und Unterdrückung, sondern als eher lose Folge grotesker Szenen, in denen der DDR-Alltag (mehr traurig denn wütend) als leicht absurdes Theater dargestellt wird, voller Klischees und Kalauer – man kann auch sagen: schon ganz im Geiste der Castorfschen Volksbühne. So ist „Banale Tage“, der erst 1992 in die Kinos kam, aus heutiger Sicht uch eine Erinnerung an dieses mittlerweile abgeschlossene Kapitel der Berliner Kulturgeschichte. Florian Lukas, damals ein siebzehnjähriger Schüler, stand in „Banale Tage“ erstmals vor der Kamera – und dies gleich in einer der beiden Hauptrollen.

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu dem Film hier.

 

 

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J.G.

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Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Film- und Bildformat, Drehzeit, Erstverleih: http://www.filmportal.de/film/banale-tage_af169943180b4da8a1ceb31a88089420 (besucht am 16.10.2017). Alle anderen Angaben: Originalabspann (dort Ralph Retzlaff nur unter „Produktion“ aufgeführt).

Bilder: DEFA-Stiftung/Michael Schaufert.