Rarität des Monats Dezember 2014
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 4.-7. Dezember 2014 um 18 Uhr und vom 8.-10. Dezember 2014 um 20 Uhr (am 8. Dezember in Anwesenheit von Dietmar Hochmuth und Oksana Bulgakowa) lief
In einem Atem
DDR 1988 – 93 Min. (2540 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe
Regie: Dietmar Hochmuth. Szenarium: Oksana Bulgakowa, Dietmar Hochmuth, nach Motiven einer Erzählung von Wladimir Makanin. Dramaturg: Peter Jakubeit. Kamera: Jürgen Lenz, Erich Gusko. Szenenbild: Marlene Willmann. Bauausführung: Solveig Paschkowski. Kostüme: Helmut Pock. Masken: Karin Menzel. Schnitt: Christine Schöne. Musik: Bizet/Stschedrin, Verdi. Ton: Edgar Nitzsche. Tonmischung: Konrad Walle. Kameraassistenz: Andreas Walle, Dieter Lück. Stunts: Frank Haberland, Wolfgang Lindner. Requisiten: Hans-Joachim Bauer, Norbert Frey. Beleuchtungstechnik: Helmut Brehmer. Regieassistenz: Marlies Butzlaff, Oksana Bulgakowa. Aufnahmeleitung: Klaus Preißel, Helmut Bransky.
Darsteller: Steffen Mensching, Simona Thomalla, Cornelia Kaupert, Michael Walke, Ralf Lindermann, Jürgen Reuter, Ulrich Teschner, Peter Zimmermann, Holger Franke, Katherina Lange, Thomas Weisgerber, Peter Voigt, Jörg Mischke, Götz Schubert, Reinhold Andert, Gisela Rubbel, Dr. med. Henry Schierz, Silke Lamprecht, Pintscho Patraschkov, Veliko Stojanow und Hans-Eckardt Wenzel als Gast.
Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme, Gruppe Babelsberg. Produktionsleitung: Uwe Kraft.
Erstverleih: Progress.
Erstaufführung: 3. November 1988, Berlin, Kino International.
Projektion einer 35-mm-Kinofilm-Kopie.
„SCHEISSE!“ – Vermutlich beginnt kein anderer DEFA-Film mit diesem Wort, das am Anfang von „In einem Atem“ auch noch lauthals direkt in die Kamera, also den Zuschauern entgegen, gebrüllt wird.
Für besondere Frechheit, Experimentierfreude oder furiose Filmgestaltung war die staatliche DDR-Filmproduktion ohnehin nicht gerade bekannt: Über Jahrzehnte hinweg dominierten dort handwerklich brave, konventionelle Arbeiten – solide, bemüht, oft langweilig. Eine der seltenen Ausnahmen bildet der zweite abendfüllende Film des 1954 in Berlin geborenen Dietmar Hochmuth (entstanden nach dem Kinderfilm „Mein Vater ist ein Dieb“ und vor „Motivsuche“, der bekannter gewordenen Tragikomödie um einen Filmemacher). Im Herbst 1988 in die DDR-Kinos gekommen, lief das Werk auch 1989 auf dem Saarbrücker Festival um den Max-Ophüls-Preis, soll dort begeistert aufgenommen worden sein – und geriet dennoch schnell in Vergessenheit. Da in den vergangenen gut fünfundzwanzig Jahren wenig getan wurde, ihn diesem zu entreißen, ist der Streifen bis heute auch weder auf DVD oder BluRay noch auf VHS verfügbar.
Dabei wird die Geschichte eines jungen Ost-Berliners, der seine Freundin zurückzugewinnen versucht, auf stürmische, verspielte, vor Einfällen fast schon zu sehr überbordende Weise erzählt. Bis ins Burleske und Groteske steigert sich das verbissene Unternehmen des spillerigen Bauarbeiters, der auf Montage in Bulgarien erfährt: Seine Liebste in der „Hauptstadt der DDR“ hat sich einem stattlichen Wasserballer zugewandt und gedenkt diesen sogar in Kürze zu ehelichen. Verkompliziert wird das Rückeroberungsprojekt noch durch den Umstand, daß bei der jungen Frau durch einen absurden Zufall Gelbsucht diagnostiziert und sie im Krankenhaus unter Quarantäne gestellt wird.
Die Hauptrollen in dieser tragikomischen Liebesgeschichte mit nahezu subversivem Ende spielen die junge, hübsche Simone Thomalla und Steffen Mensching – Schriftsteller, Kulturwissenschaftler, heute auch Regisseur und Theaterintendant, damals aber vor allem bekannt als Lyriker und unkonventioneller junger Kabarettist im Duo mit Hans-Eckardt Wenzel, der in dem Film einen Gastauftritt hat.
Unser Flyer zu diesem Film. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Weitere Informationen hier.
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J.G.
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Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Produktionsfirma und -leitung: Progress-Pressebulletin – Kino DDR, Nr. 11/1988. Datum und Ort der Erstaufführung: http://www.filmportal.de/film/in-einem-atem_9f3051333b7d4bf4918f232fcda230a8, besucht am 12.11.2014). Alle anderen Angaben: Originalvorspann (Hans-Eckardt Wenzel wird dort als Hans-Eckart Wenzel bezeichnet).
Bilder: DEFA-Stiftung/Dieter Lück.
Rarität des Monats November 2014
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 6.-12. November 2014 um 18 Uhr (am 10. November in Anwesenheit unter anderem von Ulrich Schamonis Tochter, der Photographin Ulrike Schamoni, die seit Jahren den Nachlaß ihres Vaters erschließt und daraus u.a. den Film „Abschied von den Fröschen“ gestaltet hat) stand auf dem Programm
Es
BRD 1965/1966 – 86 Min. (2556 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie, Buch: Ulrich Schamoni. Kamera: Gerard Vandenberg. Musik: Hans Posegga. Schnitt und Regieassistenz: Heidi Rente. Aufnahmeleitung: Siegfried Hofbauer. Standphotographie: Michael Marton, Gert Conradt. Kameraassistenz, Script: Dagmar Sowa. Produktionsassistenz: Rolf Zacher. Ton, Technik: Sepp Schiller, Siegfried Glöckner.
Darsteller: Sabine Sinjen, Bruno Dietrich, Ulrich Schamoni, Horst Manfred Adloff, Ulrike Ullrich, Harry Gillmann, Inge Herbrecht, Rolf Zacher, Gudrun Gundelach, Bruno Michalk, Josef Thuis. Und als Gäste: Tilla Durieux, Werner Schwier, Marcel Marceau, Bernhard Minetti, Robert Müller, Will Tremper, Senator Ernst Neubauer, Pfarrer Wolfgang See.
Produktion: Horst Manfred Adloff, München. Produktionsleitung: Peter Genée.
Erstverleih: Atlas.
Erstaufführung: 17. März 1966, Berlin, Atelier am Zoo (heute Zoo-Palast Kino 2).
Projektion eines digitalen Datenträgers.
Ulrich Schamonis Erstling „Es“ soll eine Rarität sein? Tatsächlich zählt das Werk zu den Meilensteinen der deutschen Filmgeschichte: Als es im März 1966 in die Kinos kam, wurde es als Beginn des „Jungen Deutschen Films“ verkauft und auch so wahrgenommen. Zwar hatte es schon zuvor einige Werke gegeben, die darauf hoffen ließen, mit „Papas Kino“ gehe es nun wirklich auch in der Bundesrepublik zu Ende und nach einer langen Durststrecke könne Westdeutschland Anschluß finden an die internationale Filmerneuerungsbewegung, die seit den späten Fünfzigern für Aufsehen sorgte. Doch erst 1966 erlebte endlich eine ganze Reihe von abendfüllenden „Jungfilmen“ aus der Bundesrepublik und West-Berlin ihre Uraufführung.
„Es“ machte den Anfang – weil Ulrich Schamoni, beim Dreh 25, bei der Premiere 26 Jahre alt, nicht das beginnende Filmförderwesen bemüht, sondern in Horst Manfred Adloff einen wagemutigen Kunstfreund gefunden hatte, der die Low-Budget-Produktion finanzierte. Dies sollte sich als gutes Geschäft erweisen: „Es“ wurde zum ersten großen Kassenerfolg des „Jungen Deutschen Films“, erhielt zudem fünf Bundesfilmpreise (Filmbänder in Gold für Schamoni, Kameramann Gerard Vandenberg sowie die beiden Hauptdarsteller Sabine Sinjen und Bruno Dietrich, ein Filmband in Silber für die Produktion), wurde als offizieller bundesdeutscher Beitrag in den Wettbewerb von Cannes und in das Rennen und die Oscars geschickt.
„Es“ schildert die zunächst unbeschwerte „wilde Ehe“ eines jungen Paares in West-Berlin. Als die Frau ungewollt schwanger wird, vertraut sie sich nicht ihrem Freund an – der sich schon einmal wenig erfreut vom Gedanken an eine frühe Familiengründung gezeigt hat –, sondern versucht auf eigene Faust, einen Arzt für eine (damals noch verbotene) Abtreibung zu finden. Über seinen Charakter als spannendes Dokument vom damaligen Leben in der Mauerstadt beeindruckt der Film bis heute durch seine wirklichkeitsnahe, frische, stellenweise virtuos verspielte Machart, die überzeugend agierenden Darsteller und die erfreulich unaufdringliche Weise, mit der ein Problem behandelt wird, ohne dem Zuschauer ein Urteil aufzunötigen: Schamoni brachte das Kunststück fertig, sich weder für noch gegen die Abtreibung auszusprechen. Gedreht wurde im Spätsommer 1965 in den Straßen, Häusern und Verkehrsmitteln Berlins, auch in Schamonis eigener Wohnung.
Seiner filmhistorischen Bedeutung und seines künstlerischen Ranges zum Trotz ist „Es“ bis heute weder auf DVD noch auf VHS verfügbar und in den letzten Jahren nur selten im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt worden. So gehört selbst dieses Werk zu den vielen Filmen, die in Vergessenheit zu geraten drohen oder von denen nur noch wenig mehr als der Titel bekannt ist.
Berlin-Film-Katalog präsentiert „Es“ zum 75. Geburtstag des am 9. November 1939 geborenen und am 9. März 1998 verstorbenen Berliner Filme-, Radio- und Fernsehmachers Ulrich Schamoni.
Unser Flyer zu diesem Film. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Weitere Informationen hier.
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J.G.
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Quellen der filmographischen Angaben: Atlas Filmheft 69. Darin nicht genannt werden Ulrich Schamoni als Darsteller und Hans Posegga, der die Musik schrieb (vgl. http://www.filmportal.de/film/es_3b22813bccfa4df0932cd1834f702b26, besucht am 20.10.2014). Im Originalvorspann keine Erwähnung als Darsteller findet Horst Manfred Adloff. Dafür werden dort zusätzlich aufgeführt: Gudrun Gundelach, Bruno Michalk und Josef Thuis als Darsteller, Senator Ernst Neubauer und Pfarrer Wolfgang See als Gäste. Ulrike Ullrich wird als Ulrike Ulrich bezeichnet. Ohne Funktionen zu nennen, heißt es im Vorspann nach der Auflistung der Darsteller und Gäste summarisch: „Ein Film von Ulrich Schamoni und Gerard Vandenberg, Heidi Rente, Peter Genée, Hans Posegga, Klaus Jahnel, Dagmar Sowa, Sepp Schiller, Michael Marton, Siegfried Hofbauer, Gert Conradt, Siegfried Glöckler, Ariane Koch. Eine Produktion von Horst Manfred Adloff.“ Quelle für Datum und Ort der Erstaufführung: Der Tagesspiegel vom 16. März 1966.
Bilder: Horst Manfred Adloff Film.