Rarität des Monats Juli 2016
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 7.-13. Juli 2016 um 19 Uhr (am 11. in Anwesenheit vieler an dem Film Beteiligter) lief
Lampion – C’est si bon
D 2001 – 85 Min. – DigiBeta (4:3) – Farbe
Regie, Buch: Günter Kotte. Kamera: Rainer M. Schulz. Ton: Gerd Jäkel. Regieassistenz: Renate Baum. Aufnahmeleitung: Nadine Lehmann. Schnitt: Karin Schöning, Ivo Weißmann. Tonmischung: Tom Korr.
Wir danken Edeltraut Bastian, Jochen Berg, Max Stock, Marlene, Manfred Nehls, Antonia, Manfred Graf Kiedorf und Gräfin, Heinz und Cornelia Brinkmann, Reinhard Kraetzer, Andreas Altenfelder, Peter Wawerzinek, Klaus Renft, Heike Stephan, Kuno, Pjotr, Schloussen, Delle, Heinz, Klaus Breuing, Regina, Charlotte, Peer Brüsseler, Armin Gröpler, Prisca Hausig-Gröpler, Rabea, Katja Lange-Müller, Sergej Gladkich, Wolfgang Thierse, Alexander, Rainer Raddatz, Jutta und Peter Voigt, Matthias Thalheim, Rainer Ahrendt, Katharina Ahrendt-Heller, Martin, Karl-Werner Plath, Hans-Otto Schmidt, Gerd Pieper, Hans Nübel, Carola, Kosta und Sonja, Manfred Machlitt, David aus Somalia, Cornelius Schulz, Gerd Schönfeld, Valentina Merkwirth, Jutta Arlt, Johannes Berger, Thomas Gehnich, Vladislav und allen anderen ...
Eine Koproduktion von SFB und TNM, gefördert von der kulturellen Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern. Produktionsleitung: Dieter Melzer (SFB), André Kotte (TNM). Redaktion: Jürgen Tomm (SFB).
Nach dem Fall der Mauer geschah in Prenzlauer Berg genau das, was man vor dem Fall der Mauer in Kreuzberg befürchtet hatte: Eine durchgreifende Gentrifizierung des Stadtteils samt einer nahezu vollständigen Verdrängung der bisherigen Bevölkerung. Der Unterschied: Während im Kreuzberg der Achtziger die drohende Umstrukturierung bekämpft wurde – und zwar teils sogar militant –, vollzog sie sich im Prenzlauer Berg der Neunziger beinahe lautlos.
Auch Günter Kottes 2001 entstandene Dokumentation über den „Lampion“ in der Knaackstraße ist ein eher leises, fast melancholisches Portrait dieser Kneipe, ihrer Gäste und ihres Freundeskreises, zu dem auch Kotte selbst gehörte. Entstanden war die Gaststätte nahe des Kollwitzplatzes, indem Kottes Künstlerkollege Klaus Breuing seine Wohnung und Werkstatt 1991 umfunktioniert hatte: zum Lokal, Treffpunkt, Schauplatz, nicht zuletzt auch zur Spielstätte für seine eigene Puppenbühne – „Lampion“ hatte er bereits sein „Winziges Wanderpuppentheater“ genannt, mit dem er durch die Lande zog.
„Lampion – C’est si bon“ ist ein anscheinend ganz einfach gemachter Film, der aber nicht nur deshalb sehr authentisch wirkt: Kotte hat Impressionen und Anekdoten gesammelt, biographische Bruchstücke, Beobachtungen und Geschichten vom Künstlerleben und Kneipenalltag. Da der Filmemacher vor allem mit alten Freunden und Künstlerkollegen spricht, Bekannten aus den siebziger und achtziger Jahren, die in der DDR blieben oder sie verließen und nach dem Mauerfall nach Prenzlauer Berg zurückkehrten, entsteht unvermittelt eine Portraitskizze dieser Szene (bzw. ihrer Weiterentwicklung) zur Zeit der Jahrtausendwende.
Unter ihnen sind manche, die Karriere gemacht haben (teils ganz überraschende wie Breuings Assistent Reinhard Kraetzer, der es bis zum letzten Bezirksbürgermeister von Prenzlauer Berg brachte) und prominent wurden – so Andreas Altenfelder, Jochen Berg, Armin Gröpler, Manfred Kiedorf, Katja Lange-Müller, Klaus Renft, Max Stock, Matthias Thalheim oder Peter Wawerzinek. Durchweg wirken sie allürenfrei und bodenständig (ob dies ein Ergebnis der DDR-Sozialisation ist?), so unprätentiös wie dieser Film.
So schuf Günter Kotte mit „Lampion – C’est si bon“ nicht nur ein Werk, dessen fast schon ethnographische, in jedem Falle aber kunst-, kultur- und stadtgeschichtliche Bedeutung vermutlich erst in einigen Jahrzehnten vollständig erkannt werden wird. Der Film macht auch, heute schon, deutlich, was Berlin durch die fortschreitende Gentrifizierung zu verlieren droht. Der „Lampion“ gehört nicht mehr dazu: Er mußte, nach einem Wechsel des Hauseigentümers, im Mai 2003 schließen. Klaus Breuing lebt seither in der Uckermark.
Der Film ist bislang nicht auf DVD oder Blu-ray verfügbar.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Klaus Breuings Website finden Sie hier und sein Buch über den „Lampion“ hier.
Und hier eine 2001 in der „Berliner Zeitung“ erschienene Besprechung.
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J.G.
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Quelle der filmographischen Angaben: Premierendatum: Pressemitteilung. Filmlänge: Angabe auf VHS-Cassette (in Pressemitteilung mit 90 Min. angegeben). Alle anderen Angaben: Originalabspann.
Bilder: Rainer M. Schulz (2), Lutz Edelhoff.