Berlin-Film-Katalog (in Vorbereitung)

Rarität des Monats April 2014

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 14. April 2014 um 20 Uhr (hierzu begrüßten wir als Gast Peter Timm) und vom 17.-23. April 2014 um 18 Uhr lief

 

Meier

BRD 1985/1986 – 99 Min. (2717 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe
Regie, Buch: Peter Timm. Kamera: Klaus Eichhammer. Musik: Peter Goldfuß [d.i. Günther Fischer]. Ton: Jochen Schwarzat. Mischung: Hartmut Eichgrün. Ausstattung: Martin Dostal. Kostüme: Petra Kray. Schnitt: Corinna Dietz, Petra Mantoudis. Regie-Assistent: Volker Arend. Herstellungs- und Produktionsleitung: Herbert Rimbach. Gesamtleitung: Alena Rimbach. Redaktion: Werner Sommer.
Filmgeschäftsführung: Ulrich Adomat. 1. Aufnahmeleitung: Günther Russ. 2. Aufnahmeleitung: Jörg Grossmann. Produktions-Assistenz: Klaus Bauschulte. Produktions-Sekretariat: Heike Weidler. Regie-Assistenz: Volker Arend. Script: Elke Kahlow. Kamera-Assistenz: Reiner Lauter, Folkert Oehme. Standfotos: Claudette Barius. Ton-Assistenz: Jimmy Corcoran. Schnitt-Assistenz: Pia Orlando, Lesja Zajac, Angela Freyer. Requisite: Claus Beiser, Edgar Hinz. Garderobe: Margitta Ahlert. Maske: Eberhard Neufink, Ellen Weiss. Komparsen-Casting: Monika Kölling. Bauten: Bel Tec. Licht: Ulli Lotze, Dirk Vossmerbäumer, Dieter Seidel. Kamera-Bühne: Heinz Klein. Produktions-Fahrer: Wolfgang Starck, Karin Sauerbrei. Catering: Heidrun Schmand.
Darsteller: Rainer Grenkowitz, Nadja Engelbrecht, Alexander Hauff, Thomas Bestvater, René Grams, Susanne Schiffmann-Grabe, Dagmar Biener, Dieter Hildebrandt, Joachim Kemmer, Horst Punnow, Wolfgang Nusche, Edith Teichmann, Jürgen Klauss Ilse Ranft, Kurt Ackermann, Johanna Karl-Lory, Klaus Münster, Eberhard Prüter, Hans-Jürgen Wolf, Charlotte Adami, Tamara Rohloff, Clement de Wroblewsky, Elke Knittel, Bernd Ludwig, Bernd Vollbrecht, Steffen Laube, Gerry Beltz Show-Band.
Eine Gemeinschaftsproduktion der Pro-ject Filmproduktion im Filmverlag der Autoren GmbH & Co. Produktions KG mit Popular Film GmbH Hans. H. Kaden und Maran Film GmbH und mit Unterstützung des Kuratoriums Junger Deutscher Film.
Erstverleih: Filmverlag der Autoren.

Projektion einer 35-mm-Kinofilmkopie.

Eigentlich möchte Eduard „Ede“ Meier, junger Leiter einer Tapezierer-Brigade in Ost-Berlin, nur mal eine Weltreise machen. Eine Erbschaft im Westen und der davon ebenfalls bezahlte Fluchthelfer ermöglichen es ihm. Mit einem West-Ausweis kehrt er in den Ostteil der Stadt zurück, aber immer nur mit Tagesvisum, was es schwer macht, sein bisheriges Leben weiterzuführen. Und dann startet er auch noch einen privaten Versuch, den DDR-typischen Mangel an erträglichen, leicht verklebbaren Tape­ten zu bekämpfen. In seinem 1985/1986 entstandenen Erstling schildert Peter Timm („Go Trabbi Go“, „Manta – Der Film“, „Rennschwein Rudi Rüssel“, „Liebe Mauer“), wie ein junger Berliner sich in der normalen Anormalität seiner ge­teilten Stadt ver­heddert. Nicht nur Timm, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, war – 1973 – aus dem Osten in den Westen gekommen; Nadja Engelbrecht war sogar erst kurz, bevor sie in dieser Ost-West-Komödie die weibliche Hauptrolle spielte, aus der DDR ausgereist.

Unser Flyer zu diesem Film. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Weitere Informationen hier.

 

West-Berlin ist kein Ort, an dem man sich heimisch fühlen könnte

Für sein 1986 uraufgeführtes Début „Meier“ erhielt Peter Timm 1987 den Ernst-Lubitsch-Preis für die beste komödiantische Leistung im deutschen Film und den Bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsregisseur. Er begann damit eine erfolgreiche, bis heute andauernde Karriere als Filmemacher, während der er auch zahlreiche Komödien schuf. Zu seinen Arbeiten zählen „Go Trabbi Go“, „Manta – Der Film“, „Rennschwein Rudi Rüssel“ (1 und 2), „Dumm gelaufen“, „Der Zimmerspringbrunnen“ und „Liebe Mauer“. Nicht nur in dem letztgenannten Streifen widmete sich Timm wieder der in „Meier“ behandelten Ost-West-Thematik.

Nahe liegt dies angesichts seiner Biographie: 1950 in Berlin geboren, hatte Peter Timm – wie es im Presseheft zu „Meier“ hieß – als Student an der Humboldt-Uni und an der heutigen Schauspielschule „Ernst Busch“ eine „kleine Dissidentenlaufbahn“ gemacht und war wegen „staatsfeindlicher Hetze“ inhaftiert worden – also nach einem dieser für totalitäre Systeme typischen Kaugummiparagraphen, nach denen belangt zu werden es im Zweifelsfall genügte, die Wahrheit zu sagen. Timm jedoch hatte sich offenbar wirklich und aufrichtig am Sozialismus abgearbeitet – auch als Funktionär, der die herrschende Ideologie freilich anders hatte auslegen wollen als es den Dogmen der Machthaber entsprach. Glück im Unglück: Er war bereits nach relativ kurzer Haft 1973 vom Westen freigekauft worden.

Mittlerweile noch weiter aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwunden als diese biographischen Wurzeln scheinen die künstlerischen Wurzeln Peter Timms, genauer: Was er nach seiner Ankunft im Westen gemacht hat. Da tauchte er, nach kurzer Zwischenstation in West-Berlin, in die Alternativ- und Spontiszene von Frankfurt am Main ein. 1976 tourte er, wie wiederum dem Presseheft zu „Meier“ entnehmen ist, beispielsweise als Liedersänger, Interpret von Lyrik und Prosa durch die Bundesrepublik und durch die Schweiz und war in Frankfurt am Main Mitbegründer des „Karl-Napp-Chaos-Theaters“, das sich vornehmlich oder vollständig dem politischen Kabarett widmete, und wo Timm als Schauspieler, Autor und Regisseur arbeitete. In diesen Funktionen war er auch am legendären Theater am Turm tätig, fungierte nach der Auflösung des „Karl-Napp-Chaos-Theaters“ kurzzeitig als Dozent an der Fachhochschule Lüneburg und begann Anfang der Achtziger sein Schaffen als Filmregisseur und Drehbuchautor.

Mit seinem Erstling „Meier“ schuf er dann jene DDR-Satire, die in der DDR nicht hätte gedreht werden können. Dabei ist die Kritik am SED-Staat – trotz der trüben Erfahrungen, die Timm hatte machen müssen – weder grimmig noch grob überzeichnet. Eher fragt man sich, ob manche Anspielung und kleine Spitze vom westlichen Publikum (das ja zwangsläufig, abgesehen von einer Fernsehausstrahlung, den größten Teil der Zuschauer ausmachen mußte) überhaupt verstanden oder auch nur bemerkt wurde. Aber selbst mit leiser und konstruktiver Kritik konnte man sich ja unter der SED-Diktatur schnell größten Ärger einhandeln.

Dabei bleibt in „Meier“ auch der Westen nicht ungeschoren – der Fluchthelfer etwa ist eine schmierige Figur und Meiers West-Verwandte sind die Karikatur eines spießigen älteren Ehepaars, zudem wackere Frontstadtbewohner, die in ihrer Ignoranz nicht verstehen können, wie jemand freiwillig im Osten leben kann. Darüber hinaus wird der Westteil der Stadt fast nur durch Leuchtreklamen, eine Nachtbar mit Nackttänzerin, eine Spielhalle, eine schicke (und teure) Boutique und natürlich einen Baumarkt dargestellt – West-Berlin ist in diesem Film wahrlich kein Ort, an dem man sich heimisch fühlen könnte.

Sich über Ost wie West lustig zu machen, war damals nicht nur aus Fairness, sondern auch aus taktischen Gründen geboten: Wer im Westen zu ernsthaft und ausgiebig Kritik an der DDR übte, wurde in den siebziger und achtziger Jahren schnell in die rechte Ecke gestellt und als ewiggestriger kalter Krieger abgestempelt. Es wäre noch zu erforschen, wie weit die Stasi-Agenten im Westen dafür mitverantwortlich waren – in „Meier“ wird ja am Ende völlig richtig darauf hingewiesen, was viele damals nicht wahrhaben wollten: Behörden, große Unternehmen und andere wichtige Einrichtungen im Westen, übrigens auch und gerade die Parteien, waren mit Stasi-Mitarbeitern durchsetzt. Denn wenn etwas in und an der DDR funktionierte, dann war es der Geheimdienst. (Auch über die Produktion von „Meier“ soll die Stasi dank eines Zuträgers aus dem Team bereits vor Beginn der Dreharbeiten genau informiert gewesen sein.)

Auf vielen anderen Gebieten war hingegen bekanntlich vierzig Jahre lang Mangel angesagt und dementsprechend viel Improvisationstalent und Beziehungspflege gefragt – allen voran Handwerker gehörten zu denen, die von diesen Zuständen stark profitierten, sich zusätzliche Arbeiten auch bevorzugt in Westmark bezahlen ließen. Sie erlebten dementsprechend nach dem Mauerfall einen besonders krassen Abstieg. Womit letztlich noch einmal Peter Timms These aus „Meier“ bestätigt wurde: Einem Maler und Tapezierer wie Ede Meier ging es in der DDR zumindest materiell vermutlich besser als in der Bundesrepublik. Und zwar nicht nur, wenn er als Berliner die normale Anormalität seiner geteilten Stadt gewieft auszunutzen versuchte.

Indem sich Timm des Mangels an Rauhfasertapeten annahm (nach denen in seinem Film selbst stramme Genossen gieren), thematisierte er aber nicht nur die komfortable Lage für Handwerker und behandelte nicht nur ein ästhetisches Problem – damals wandelten sich Zeitgeist und Geschmack ja noch schneller als heute, und in den Achtzigern galten die wildgemusterten bunten Tapeten aus den Siebzigern bereits als geschmacklos und unerträglich. Der Mangel an Rauhfasertapeten war auch ein gutes Beispiel für jene Sackgasse, in welche sich die Planwirtschaft manövriert hatte: Rauhfasertapeten lassen sich viel schneller verkleben als Mustertapeten, aber auch in diesem Punkt war es der DDR offenbar nicht mehr möglich, jene Investitionen zu tätigen, die eine Produktivitätssteigerung ermöglicht hätten.

Heute, fast dreißig Jahre später, muß man natürlich einiges erklären – nicht nur, daß sich über die aus Ulbrichts Zeiten stammende Forderung nach „Weltniveau“ für die DDR und ihre Produkte in Ost wie West noch lange nach Ulbrichts Sturz lustig gemacht wurde. Gern mokiert haben wir uns im Westen auch über die – unserer Meinung nach DDR-typische Unsitte – möglichst jedem Tag irgendeine weitere Bedeutung überzustülpen, Stichwort „Tag der kommunalwirtschaftlichen und Dienstleistungsbetriebe“. Inzwischen wissen wir, daß die DDR damit wirklich mal Avantgarde war – heute hat ja jeder Tag mindestens drei Bedeutungen, die uns dann brav von den Medien mitgeteilt werden. Und irgendwelche Auszeichnungen und sinnfreie „Ehrentitel“, mit denen sich so gut Handeln und Fortschritt vortäuschen läßt, werden inzwischen im Westen ebenfalls gern verteilt – nur leider gibt's dafür in der Bundesrepublik nicht mal Prämien.

Erläutern muß man nach dreißig Jahren auch, welch kleinen Kunstgriff Peter Timm für seine Story anwandte: Ede Meier hätte nämlich gar nicht immer mitten in der Nacht Ost-Berlin verlassen müssen. Mit seinem West-Berliner Personalausweis konnte er problemlos einen mehrtägigen Aufenthalt beantragen. Und zwar in einer jener Passierscheinstellen – offiziell hießen die Dinger „Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten“ –, die West-Berliner stets aufsuchen mußten, wenn sie in den Osten fahren wollten. Da gab man seinen Antrag einem Herrn von der Stasi (offiziell waren diese für die Post, später für das Innenministerium tätig), und zwei Tage später konnte man – hoffentlich – seinen „Berechtigungsschein zum Empfang eines Visums“ abholen. Schneller ging’s nur mit einem „Mehrfachschein“ oder „Achterschein“, wie es im Volksmund hieß, da dieser „Berechtigungsschein“ auf der Rückseite acht Felder besaß, wo weitere „Empfangsberechtigungen“ erteilt werden konnten, auch für den Tag der Ausstellung. Allerdings galten diese Scheine nur einige Monate lang. In der Szene, als Meier seiner Tante und seinem Onkel seinen „Berechtigungsschein“ zeigt, sieht man unscharf, aber deutlich die abgestempelten Felder auf der Rückseite – da handelte es sich also um ein Originaldokument.

Man könnte natürlich sagen: Ja-ha, da sich der Meier eben gleich neun „Berechtigungen“ auf einmal geholt! Aber vermutlich hätten die netten Herren von der Stasi das seltsam gefunden und den Antragsteller sofort auf die Möglichkeit des mehrtägigen Aufenthalts ohne Unterbrechung aufmerksam gemacht. Kurzum: In Wahrheit konnte ein West-Berliner gar nicht einfach an die Sektorengrenze gehen und sich dort ein Tagesvisum geben lassen. Das konnten nur Westdeutsche oder Ausländer – die dafür so problemlos nur nach Ost-Berlin durften, aber nicht aus der Stadt hinaus. West-Berliner hatten zwar auch bundesdeutsche Pässe, aber wenn in denen als Wohn- oder Ausstellungsort Berlin angegeben war, wurden sie von den Ostblockstaaten nicht anerkannt.

Übrigens fällt auch das schöne große Schild „Sie verlassen den amerikanischen Sektor“ unter „künstlerische Freiheit“: Diese Schilder standen natürlich nur an den Grenzen des US-Sektors, also nicht im Wedding, wo Chaussee- und Bornholmer Straße liegen und der zum französischen Sektor gehörte. Fraglich ist auch, ob irgendwo die eigentliche „Kontrolle der Personaldokumente“ (also nicht nur die Zugangsberechtigung zum Kontrollpunkt von östlicher Seite aus) auf der Straße stattfand. Doch wie gesagt: Es gibt hier selbstredend Kunstgriffe und künstlerische Freiheit, wozu auch zählt, in welchem Zeitraffertempo sich die Karriere des Tapezierers nach seiner Rückkehr ins heimische Ost-Berlin entwickelt.

Nachgebaut worden war der Kontrollpunkt Chausseestraße in der Lehrter Straße. Jener Kontrollpunkt, den Ede Meier später benutzt, soll die Bösebrücke im Zuge der Bornholmer Straße sein, dargestellt von der Eiswerderbrücke über die Havel in Spandau. Als Flughafen Schönefeld fungierte außen wie innen das Hauptgebäude der Technischen Universität, als Stasi-Zentrale der Flughafen Tempelhof, und die Wagenkolonne, mit der Ede abgeholt wird, biegt in Kreuzberg von der Reichenberger Straße in den Segitzdamm ein, Richtung Wassertorplatz (man beachte, wie sorgfältig die Litfaßsäule mit DDR-Plakaten beklebt ist). Inzwischen verschwunden ist das Café des Westens, dessen Neonschriftzug am alten Ku’damm-Eck ziemlich zu Beginn des Films im Hintergrund zu sehen ist. Und im abendlichen Glanz erstrahlt hier ebenfalls das schöne alte Alhambra-Kino an der Ecke See- und Müllerstraße aus den fünfziger Jahren, das in den Neunzigern abgerissen wurde.

„Meier“ soll mit rund einer halben Million Zuschauern einer der wenigen größeren kommerziellen Erfolge des bundesdeutschen Kinos gewesen sein, zudem einer der wenigen, der seine Zugkraft nicht Fernsehstars wie Otto, Loriot, Dieter Hallervorden, Götz George oder Thomas Gottschalk verdankte. Allein in Berlin sollen rund hunderttausend Menschen den Streifen gesehen haben, wobei zu unterstreichen ist, daß Peter Timm und seine Darsteller für diesen „Regionaleffekt“ auch einiges getan hatten: Es dürfte nur wenige Filme geben, in denen noch unverstellter und durchgängiger (und damit authentischer) berlinert wird als in „Meier“.

Auch von der Kritik – nicht nur in Berlin – wurde der Film freundlich aufgenommen, was wiederum mit dem schon erwähnten Wandel von Zeitgeist und Zeitgeschmack zu tun gehabt haben dürfte: Der „Junge“, später „Neue“ westdeutsche Film hatte sich im Laufe der siebziger Jahre ja zu einer ziemlich trostlosen Angelegenheit entwickelt, und mit dem Aufkommen der Postmoderne Mitte der achtziger Jahre begann das postideologische Zeitalter – was nicht zuletzt bedeutete: Ironie und Komik wurden mehr geschätzt und nachgefragt. Denn wenn die Verhältnisse offenbar schon nicht wirklich zu ändern waren, wollte man wenigstens über sie lachen. „Meier“ wurde denn auch bei seiner Premiere 1986 als Teil einer Komödienwelle im bundesdeutschen Kino verstanden, losgetreten kurz zuvor durch Doris Dörries „Männer“. Hinzu kam ein weiterer fulminanter Überraschungserfolg, zumindest in Berlin: Billy Wilders weitgehend vergessene Ost-West-Komödie „Eins, zwei, drei“ erlebte ihre Wiederentdeckung und lief monatelang im Delphi-Filmpalast am Zoo. Entgegen der weitverbreiteten Meinung darf allerdings vermutet werden, daß der 1961 gedrehte Film ursprünglich auch gefloppt wäre, wäre ihm nicht der Mauerbau in die Quere gekommen – humormäßig war er seiner Zeit einfach zu weit voraus.

Jedenfalls zählte Marli Feldvoß in „epd Film“ Nr. 7/86 auf: „Deutsch-deutsche Träume haben Konjunktur im deutschen Nachwuchsfilm. MEIER ist schon der vierte deutsche Begegnungsfilm dieser Art innerhalb eines Jahres (…).“ Ihm attestierte sie übrigens „ein bißchen Marx-Brothers-Flair“. Wohl am meisten Begeisterung zeigte Claudius Seidl in seiner Kritik in der „Zeit“ Nr. 23/1986, die schloß: „Filmkünstler in der BRD: schafft zwei, drei, viele ‚Meiers’!“

J.G.

 

 

Quellen der filmographischen Angaben: epd Film Nr. 7/1986 (Filmlänge), Mitteilung Peter Timm (Klarname für Peter Goldfuß), Originalvor- und -abspann (alle weiteren Angaben).

Bilder: Studiocanal.

 

 

 

 

Rarität des Monats März 2014

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 10. März 2014 um 18 Uhr lief (selbstverständlich mit film- und zeithistorischer Einführung)

 

Hitlerjunge Quex

D 1933 – 87 Min. – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie: Hans Steinhoff. Buch: Karl Aloys Schenzinger, Bobby E. Lüthge, nach dem Roman von Karl Aloys Schenzinger. Bild: Konstantin Irmen-Tschet. Bauten: Benno von Arent, Arnold Günther. Schnitt: Milo Harbich. Ton: Walter Tjaden. Musik: Hans-Otto Borgmann. Worte des HJ-Liedes: Baldur von Schirach.
Darsteller: Heinrich George, Berta Drews, Jürgen Ohlsen [im Vorspann nur als „ein Hitlerjunge“ aufgeführt], Claus Clausen, Helga Bodemer [im Vorspann nur als „ein Hitlermädchen“ aufgeführt], Hermann Speelmans, Rotraut Richter, Karl Meixner, Hans Richter, Ernst Behmer, Hans-Joachim Büttner, Franziska Kinz, Karl Hannemann, Ernst Rotmund, Rudolf Platte, Reinhold Bernt, Hans Deppe, Anna Müller-Lincke, Hans Otto Stern, Jungens und Mädels der Berliner Hitler-Jugend.
Produktion: Ufa (Herstellungsgruppe Karl Ritter). Aufnahmeleitung: Fritz Koch.

Uraufführung: 12. September 1933.

„Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend“ lautet der Untertitel dieses berühmt-berüchtigten Streifens. Mit ihm wollte die Ufa, die ihre nun als jüdisch geltenden Mitarbeiter – welche bis dahin sehr viel zum künstlerischen wie kommerziellen Erfolg des Filmkonzerns beigetragen hatten – im Frühjahr 1933 gar nicht schnell genug an die Luft setzen konnte, sich bei den eben an die Macht beförderten Nazis einschleimen.

Bei der Stoffwahl bediente man sich bereits einer Strategie, die in der offenen NS-Propagandafilmproduktion fortan gern beschritten werden sollte: Man griff auf ein Geschehen zurück, welches sich tatsächlich ereignet hatte, und verzerrte und verfälschte es im Sinne der gewünschten Aussage und Wirkung. Im Falle von „Hitlerjunge Quex“ war es der – von der NS-Propaganda bereits weidlich ausgeschlachtete – Fall des fünfzehnjährigen Hitlerjungen Herbert Norkus, der im Januar 1932 in Berlin-Moabit bei einem Angriff von Nazigegnern getötet worden war; derartige Auseinandersetzungen, auch mit Todesopfern, waren im bürgerkriegsähnlichen Klima der untergehenden Weimarer Republik leider nicht selten.

Um die Filmfabel – sie folgt einem noch 1932 veröffentlichen Roman von Karl Aloys Schenzinger, der auch am Drehbuch beteiligt war – effektvoller zu machen, ist der Vater des Hitlerjungen ein Kommunist, gegen den sich der Knabe behaupten muß. Zur weiteren Steigerung der Glaubwürdigkeit wurde die cholerische, grobschlächtige, gewalttätige Vaterfigur, welche schließlich doch für den Nationalsozialismus gewonnen wird, mit Heinrich George besetzt – bis dahin als Linker bekannt, vollzog er damit selbst einen politischen Seitenwechsel und avancierte zu einem Aushängeschild Goebbelsscher Kulturpolitik.

Als unverhohlene NS-Propaganda zählt dieser Film zu jenen, die nur noch „unter Vorbehalt“ zur Vorführung freigegeben sind – zu recht, ist er doch leider geschickt und damit wirkungsvoll gemacht. Als historische Dokumente und zum Zwecke einer kritischen Auseinandersetzung sollten diese Arbeiten aber – im passenden Rahmen – gezeigt werden. Hier geschieht dies in Ergänzung zu Felix Moellers neuer Dokumentation Verbotene Filme, die sich um ebenjene „Vorbehaltsfilme“ dreht und die vom 6.-15. und vom 17.-19. März 2014 im Brotfabrikkino zu sehen ist.

Unser Flyer zu diesem Film. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Weitere Informationen hier und hier.

 

SIE HABEN UNSERE AUFFÜHRUNG VERPASST? Sie können den Film noch einmal sehen am 20. März 2014 um 20 Uhr und am 23. März 2014 um 18 Uhr im Zeughauskino sowie am 30. März 2014 um 15.30 Uhr im Bundesplatzkino.

 

BEACHTEN SIE BITTE AUCH: Bis Ende März zeigt das Zeughauskino eine Werkschau von „Hitlerjunge Quex“-Regisseur Hans Steinhoff. Ein weiterer „Vorbehaltsfilm“ läuft im Brotfabrikkino am 16. März 2014 um 18.30 Uhr: Steinhoffs, unter der „Gesamtleitung“ des Hauptdarstellers Emil Jannings 1941 entstandener Ohm Krüger.

 

 

„Nach einer wahren Geschichte“

Am 24. Januar 1932 wurde im Flur des Hauses Zwinglistraße 4 in Berlin-Moabit der fünfzehnjährige Herbert Norkus schwer verletzt aufgefunden. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Norkus hatte zusammen mit anderen Hitlerjungen Flugblätter verteilt, die für eine nationalsozialistische Propagandaveranstaltung warben. Junge Kommunisten wollten dies verhindern, überfielen die Gruppe und verprügelten Norkus. Solche gewalttätigen Auseinandersetzungen waren damals in Deutschland leider fast an der Tagesordnung, auch und gerade in Berlin, und immer wieder gab es dabei – auf beiden Seiten – sogar Todesopfer.

Bei den Nazis – wo Goebbels ja nicht nur Propagandachef der Partei, sondern auch deren Berliner Gauleiter war – erkannte man rasch das propagandistische Potential, welches der Tod des Hitlerjungen besaß. Der Arzt und Schriftsteller Karl Aloys Schenzinger verarbeitete den Fall – einigen Quellen zufolge im Auftrag des HJ-Chefs Baldur von Schirach – flugs zum Jugendroman „Der Hitlerjunge Quex“. Der Spitzname „Quex“ wurde von der „quecksilbrigen Umtriebigkeit“ des Titelhelden hergeleitet. Das Buch erschien noch 1932. Die Ottostraße hieß dann in der Nazizeit „Norkusstraße“, der Ottoplatz, gegenüber der Einmündung der Zwinglistraße in die Ottostraße gelegen, „Norkusplatz“. Auch andernorts im „Dritten Reich“ wurde Norkus’ als NS-Märtyrer gedacht.

Im April 1933, wenige Wochen nach der Machtübergabe an die Nazis, kaufte die Ufa die Filmrechte an dem Roman. Der größte deutsche Filmkonzern, 1917 auf Initiative der faktischen Militärdiktatoren Hindenburg und Ludendorff gegründet, befand sich seit 1927 in der Hand des rechten Medienzaren Alfred Hugenberg, ab 1928 Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei, Steigbügelhalter Hitlers und Minister in dessen erstem Kabinett.

Nichtsdestoweniger hatte sich die Ufa aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin nicht auf die Produktion konservativer und nationalistischer Streifen kapriziert, sondern auch viel Unpolitisches und manchmal sogar ziemlich Freches hergestellt.

Im Frühjahr 1933 allerdings konnte sich der Konzern gar nicht schnell genug all seiner jüdischen bzw. nach NS-Definition als jüdisch geltenden Mitarbeiter entledigen – Mitarbeiter, von denen viele wesentlich zum bisherigen künstlerischen und auch kommerziellen Erfolg der Ufa beigetragen hatten. Die Produktion eines Werkes wie „Hitlerjunge Quex“ – beworben als „Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend“ – kann in diesem Zusammenhang als weitere Morgengabe und Unterwürfigkeitserklärung an das neue Regime betrachtet werden.

Ironischerweise geschah dies mit filmkünstlerischen Mitteln, die manche Filmhistoriker an die wenigen Vertreter eines sozialkritischen, linken Kinos in der Weimarer Republik erinnern sollten – allen voran sei Phil Jutzis „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ und Slatan Dudows „Kuhle Wampe“ genannt. Für die Nazis, so wurde später gehöhnt, habe die Ufa ihren einzigen Arbeiterfilm produziert. Dies war allerdings keineswegs ein Ausdruck oppositioneller Gesinnung, sondern im Gegenteil ganz im Sinne der neuen Herren, zielte „Hitlerjunge Quex“ doch auch auf Andersdenkende und Unentschlossene, nicht zuletzt im Proletariat.

Auch zu diesem Zweck sind in dem Film – wie schon in Schenzingers Roman – einige Aspekte gegenüber dem authentischen Fall Norkus verändert worden. Ferner wollte man durch Änderungen die Handlung wirkungsvoller gestalten, besser Stimmung machen können, also letztlich den Zuschauer stärker beeinflussen. Ein Vorgehen, welches als wegweisend für die weitere NS-Propaganda betrachtet werden kann: Für unverhohlene Propagandaspielfilme wurde gern auf authentisches Geschehen zurückgegriffen und dieses dann im gewünschten Sinne verzerrt oder anderweitig verfälscht. Man denke nur an das berühmt-berüchtigte Beispiel „Jud Süß“ oder an das späte Durchhaltespektakel „Kolberg“.

Die NS-Propaganda bediente sich dabei einer Strategie, die bis heute beliebt ist: Wenn es zu Beginn eines Filmes heißt, dieser erzähle „eine wahre Geschichte“ oder schildere „einen authentischen Fall“, soll mit diesem Hinweis suggeriert werden, die Story entziehe sich aller Kritik, wurde sie doch „vom Leben geschrieben“ – je nach Weltanschauung auch vom Schicksal oder von Gott. Ferner soll die Unantastbarkeit des geschilderten Geschehens übertragen werden auf die Art der Schilderung: Du darfst diesen Film insgesamt nicht schlecht finden, denn er erzählt „eine wahre Geschichte“. Der – eigentlich recht plumpe – Trick wird deshalb so gern von Filmemachern, Verleihern, Reklameleuten angewandt, weil er noch immer funktioniert. Und dies, obwohl bis heute die Handlungen und Figuren solcher Spielfilme „nach einer wahren Geschichte“ oft nur wenig mit den authentischen Vorlagen und Vorbildern zu tun haben.

Aber nachgefragt oder nachgeforscht wird – auch und gerade von Filmkritikern – in der Regel kaum. Die vorgebliche „Veredelung“ der Filmhandlung durch ihre Bezugnahme auf tatsächlich Geschehenes wird geschluckt, ebenso wie die angestrebte Verwechslung eines Spielfilms mit einem dokumentarischen Bericht.

Um die Grenzen zwischen Fiktion und Realität weiter zu verwischen, blieben in „Hitlerjunge Quex“ die jugendlichen Darsteller der Nachwuchsnazis anonym und wurden im Vorspann nur als „ein Hitlerjunge“ oder „ein Hitlermädchen“ aufgeführt. In Wahrheit soll Jürgen Ohlsen, der sechzehnjährige Darsteller des Titelhelden, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten Mitte 1933 gar nicht in der HJ gewesen sein.

Zum Grenzenverwischen trug sicher auch bei, daß die Rolle des Vaters jenes „Quex“ von Heinrich George übernommen wurde – dieser Vater ist ein Kommunist, der zunächst seinen Sohn drängt, der kommunistischen Jugendorganisation beizutreten, und ihn dann, als dieser zum anderen politischen Extrem tendiert, drangsaliert und ihm die „Internationale“ regelrecht einprügeln will. Schließlich aber besinnt sich der Vater und schwenkt auf die Linie der Nazis ein. Besondere Glaubwürdigkeit erhielt Georges Darstellung dadurch, daß er bis dahin selbst als linker Künstler gegolten hatte und hier spektakulär den eigenen Seitenwechsel zum Nationalsozialismus vollzog, woraufhin er zu einem Aushängeschild Goebbelsscher Kulturpolitik wurde und in diversen weiteren Propagandafilmen auftrat – auch in den bereits erwähnten „Jud Süß“ und „Kolberg“. Und seine Frau Berta Drews spielte gleich noch die Mutter des „Hitlerjungen Quex“, der eigentlich Heini Völker heißt.

Heinis Vater ist, wie bereits angerissen, ein cholerischer, grobschlächtiger, auch gewalttätiger Typ – was eine bezeichnende Abweichung vom authentischen Geschehen darstellt: Herbert Norkus’ Vater soll ein SA-Mann gewesen sein, doch damit hätte man natürlich nicht so gut an jugendliche Aufmüpfigkeit gegen die Eltern appellieren und den Nationalsozialismus als das Neue, Kraftvolle darstellen können, als Bewegung junger oder relativ junger Menschen – was er leider zu einem nicht unwesentlichen Teil tatsächlich war.

Eine weitere Abweichung: „Höhere Bildung“ galt damals als elitär und war einer viel kleineren Gruppe von Heranwachsenden vorbehalten als heute. Also mußte aus dem Gymnasiasten Norkus für Roman und Film ein Lehrling werden. Der wird dann überfallen, nachdem er heimlich Flugblätter gedruckt und den ersten Kuß von seiner Angebeteten erhalten hat.

Natürlich ist sie eine Gesinnungsgenossin und die kurze Intimität wirkt harmlos und unschuldig, bilden die Hitlerfans hier doch den blitzsauberen, wohlgeordneten und anständig gescheitelten Kontrast zu den Kommunisten, die gleich zu Beginn des Films als Unruhestifter gezeigt werden und Namen wie „Stoppel“ und „Wilde“ tragen. Schneidige Uniformen gibt es bei ihnen nicht, ihr Nachwuchs ist ein wüster Haufen, wo geraucht wird, Alkohol getrunken und auch die sonstigen Sitten recht locker sind – so setzen die Roten leichte Mädchen auf brave Hitlerjungen an, um diese von ihrem Kampf um den blutroten Beusselkiez abzubringen. Heini Völker fremdelt von Anfang an mit den Kommunisten, wendet sich bei einer Fahrt vor die Tore Berlins rasch von ihnen ab und entdeckt statt dessen das konkurrierende Zeltlager der HJ, wo am Lagerfeuer (man kann auch sagen: Scheiterhaufen) Sonnenwende gefeiert und Schwülstiges geschwafelt wird über Schland, Schland.

Nebenher wird in „Hitlerjunge Quex“ gezeigt, wie der Nationalsozialismus angeblich Klassenschranken überwindet und wie er das Projekt der von ihm propagierten „Volksgemeinschaft“ ist: Sind bei den Roten die Proleten unter sich, so findet der Arbeiterjunge Heini Völker durch die HJ Zugang zur bürgerlichen Mittelschicht, deren Sprößlinge bei den Nazis leitende Funktionen einnehmen. Sogar eine Liebesbeziehung zwischen dem Proletarier und der Bürgerstochter scheint denkbar – würde das Glück nicht durch Heinis Ermordung vereitelt.

Hier gibt es noch eine wichtige Abweichung vom tatsächlichen Geschehen: Während Herbert Norkus beim Flugblattverteilen überfallen wurde und an einer Stichverletzung (oder mehreren) gestorben sein soll, fällt Heini Völker einem gezielten Mord zum Opfer, mit dem die Kommunisten sich an ihm dafür rächen, daß er einen von ihnen geplanten Anschlag – der sogar mit Sprengstoff ausgeführt werden sollte – auf die Nazis verhinderte.

Doch zumindest für einige Rote ist Läuterung und damit Rettung möglich, so suggeriert der Film – derweil Andersdenkende zur gleichen Zeit massenweise verfolgt, gefoltert und ermordet wurden und die Nazis kaum noch nachkamen mit dem Bau von Konzentrationslagern. Die Kommunistensirene Gerda kann sich vor einem HJ-Verräter am Ende nur ekeln (als wäre der Film nicht über achtzig Jahre alt, ist der Verräter der einzige Hitlerjunge, der raucht), und Heinis Vater besinnt sich wie erwähnt ebenfalls. Andersdenkende und Abseitsstehende, so wird durch „Hitlerjunge Quex“ vorgegaukelt, sollen dies doch bitte auch tun, sich der „Bewegung“ anschließen und sich anständig in die „Volksgemeinschaft“ integrieren – eine Aufforderung, die auch und gerade der jugendlichen Zielgruppe galt, von der sich gar nicht so wenige widerspenstig zeigten. Dann dürfen auch sie hinter der „Fahne“ her marschieren, die „die neue Zeit“ ist, sie „in die Ewigkeit“ führt und „mehr ist als der Tod“, wie es in dem – eigentlich „Vorwärts! Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren“ betitelten, aber als „Uns’re Fahne flattert uns voran“ bekannteren – „Fahnenlied der Hitlerjugend“ heißt. HJ-Chef Baldur von Schirach soll es zu einer fröhlichen Melodie mit Ohrwurmqualitäten getextet haben, und mit diesem Film wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt.

Mit diesem Lied darf dann auch Heini Völker wirkungsvoll sein Leben aushauchen. Es bleibt Spekulation, wie viele der gläubigen Hitlerjungen es ihm später, im von den Nazis angezettelten Krieg, als Soldaten oder als im aussichtslosen Endkampf verheizte Halbwüchsige, nachgetan haben.

J.G.

 

 

Quellen der filmographischen Angaben: http://www.filmportal.de/film/hitlerjunge-quex-ein-film-vom-opfergeist-der-deutschen-jugend_640fd019c0e5458d83f2f7b826127229 (besucht am 26.2.2014), Originalvorspann.

Bilder: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (im unteren Bild wurde das Hakenkreuz in der Armbinde des ganz rechts stehenden Jungen herausretuschiert).